December 24, 2022

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Weihnachten als Au Pair

Jeder, der sich entscheidet Au Pair zu werden, denkt mindestens einmal an die Weihnachtszeit. Zweifel sind völlig normal: Werde ich Heimweh haben? Was, wenn meine Gastfamilie andere Traditionen oder eine andere Religion hat? Wie einsam werde ich mich fühlen?

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass nicht immer alles nur schwarz oder weiß ist. Als Ambassador hatte ich die Gelegenheit, mit vielen verschiedene Au Pairs darüber zu sprechen und ich fand heraus, dass es meistens um zwei Themen geht: die Gastfamilie hat andere Traditionen zu Weihnachten oder sind nicht so religiös wie das Au Pair. Jedes Mal, wenn ich von diesen Zweifeln hörte, erzählte ich von meinen eigenen Erlebnissen.

Aber beginnen wir am besten ganz von vorne. Ich wuchs in einer katholischen Familie auf und Weihnachten war sehr wichtig für uns. Nachdem meine Großeltern verstorben waren, verbrachten wir Weihnachten nur noch zu dritt (ich bin ein Einzelkind). Könnt ihr euch vorstellen, wie schwierig es für mich war zu gehen, in dem Wissen, dass meine Eltern ganz allein sein würden? Das war der einzige Grund, warum ich dieses ganze Abenteuer in Frage stellte. Später stellte sich heraus, dass ich meine Eltern gleich zweimal zu Weihnachten allein lassen würde, da ich mein Au Pair Jahr verlängerte.

Als ich im Matching Gastfamilien kennenlernte, fokussierte ich mich nicht so sehr auf die Religion, da es bei diesem Programm ja um Kulturaustausch geht. Mir war klar, dass meine Religion allein meine Sache war und dass auch Familien offen für unsere Traditionen sein sollten, deshalb würde es bestimmt spannend und lustig für beide Seiten werden. Nachdem ich eine Familie in Colorado kennengelernt und mit ihren Kindern gesprochen hatte, hatte ich ein gutes Gefühl. Ich war total überrascht, als Kara (damals noch meine zukünftige Host Mum) mich fragte, ob ich den Teil ihrer Bewerbung gelesen hatte, in dem es um Religion ging. Ich wunderte mich über die Frage und sie erklärte mir, dass sie eine jüdische Familie sind und sichergehen wollte, dass ich das wusste. Als ich realisierte, dass dies tatsächlich ein Problem für manche Menschen darstellen würde, war ich schockiert. Ich wollte nicht, dass sich jemand so fühlt. Offen zu sein ist doch das Allerwichtigste. Und so zögerte ich keine Sekunde länger und entschied mich für diese Gastfamilie.

Mein erstes Weihnachten in den USA

Ich erinnere mich noch an den allerersten Sonntag bei meiner Gastfamilie. Kara fragte mich, ob ich einen bestimmten Gottesdienst besuchen wollte, da es Sonntag war und auch bald andere Feierlichkeiten vor der Tür stehen würden (ich kam im August an und der amerikanische Countdown für Weihnachten würde bald beginnen). Ich erzählte ihr, wie es bis jetzt bei mir zu Hause abgelaufen war und sie verstand mich sehr gut. Wir hatten beide so ziemlich die gleiche Meinung zu den verschiedensten Themen. Ich fragte sie nur, ob es okay wäre, den Jungs einige meiner Lieblingsweihnachtstraditionen zu zeigen und wir einen Weihnachtsbaum aufstellen könnten.

Meine Freundin Kasia kam Ende Oktober bei ihrer Gastfamilie in San Diego an. Wir dachten, es wäre bestimmt eine tolle Idee, unser erstes Weihnachten in Amerika gemeinsam zu verbringen. Ich fragte meine Gasteltern, ob Kasia an diesem Wochenende vorbeikommen könnte, da meine Familie zu der Zeit ohnehin nicht zu Hause sein würde. Natürlich sagten sie sofort Ja.

Eines Abends – es war kurz nach Thanksgiving – stürmten die Jungs in mein Zimmer. Ich wusste anfangs gar nicht, was los war – ihre Stimmen überschlugen sich vor lauter Aufregung. Sie hatten mir doch tatsächlich einen Weihnachtsbaum gekauft, den sie wenige Minuten zuvor dekoriert hatten. Die Überraschung war ihnen gelungen. Ich war so gerührt und konnte nicht aufhören, alle ganz fest zu drücken und zu umarmen. Diese kleine Geste bedeutete mir unglaublich viel – ich fühlte mich einfach geliebt. Weihnachten als Au Pair Ein paar Tage später hatte ich die Idee, den Jungs zu zeigen, wie wir in Polen den 6. Dezember feiern. Meine Familie und ich feiern an diesem Tag jedes Jahr den Nikolaustag. Alle Kinder, die Geschenke bekommen möchten, müssen ihre Schuhe putzen und sie in einer Reihe aufstellen. Meine Gastkinder kannten diese Tradition nicht. Sie waren sehr aufgeregt – ich ermahnte sie aber auch, dass unartige Kinder statt Geschenke meistens Kohle im Schuh finden ;)

2016 fanden Hanukkah und Weihnachten am selben Tag statt und es machte riesigen Spaß diese Zeit mit der Familie zu verbringen – und auch zu sehen, wie unterschiedlich aber auch ähnlich die Gebräuche und Traditionen sind. Die Jungs waren damals 4 und 6 Jahre alt und stellten so viele Fragen. Sie wollten alles über diese Feiertage wissen. Sie fragten sich, warum sie nie einen Weihnachtsbaum hatten und warum ich noch nie zuvor Kerzen auf einer Menora angezündet hatte. Sie zeigten mir ihre Bücher und wie man mit Dreidels spielt. Wir hörten Lieder und malten einen Adventkalender an. Meine Mutter hatte uns einen mit Schokolade geschickt und so aßen die Jungs und ich jeden Tag nach der Schule ein Stück Schokolade. Das alles war sehr aufregend. Weihnachten als Au Pair Am Tag vor Weihnachten bestand ich meine Fahrprüfung und durfte endlich Auto fahren. Das war ein ziemlich cooles Weihnachtsgeschenk. Kasia flog zu uns nach Denver und gemeinsam mit einer Freundin fuhr ich mitten in der Nacht zum Flughafen, um sie abzuholen. Am nächsten Morgen stellte ich sie meinen Gasteltern vor.

Ich liebe es zu kochen und backte typischen Lebkuchen – den hatte früher meine Großmutter oft gemacht. Polnische Teigtaschen mit Sauerkraut und Pilzen durften auch nicht fehlen. Danach fuhren wir Downtown, um einen Spaziergang zu unternehmen. Zu dieser Zeit in Polen saßen alle bei Tisch und die ganze Familie aß gemeinsam zu Abend. In Polen beginnt Weihnachten am 24., gleich wenn es dunkel wird und der erste Stern am Himmel leuchtet.

Später trafen Kasia und ich uns noch mit meiner Freundin Lisa. Ihre Schwester und zwei Freundinnen waren über Weihnachten zu Besuch gekommen. Wir tranken heiße Schokolade und wünschten uns frohe Weihnachten. Wir alle hatten eine sehr schöne Zeit.

Außerdem hatten wir eine Einladung zu einem Weihnachtsessen von der Gastfamilie einer meiner besten Au Pair Freundinnen bekommen. Kasia und ich hatten die Chance, ihre unglaubliche Gastfreundschaft zu erleben – wir wurden so herzlich bei ihnen willkommen geheißen. Es fühlte sich wie Zuhause an.

Ich bin so dankbar und glücklich, dass sie diese Idee hatten. Das alles half mir nämlich, nicht zu sehr an zu Hause zu denken. Da Kasia bei mir war, war ich mit den Gedanken in Colorado – das bewahrte mich vor dem schlechten Gewissen, über die Weihnachtsfeiertage nicht bei meiner Familie zu sein.

Das zweite Weihnachten

Mein zweites Weihnachten in den USA war einfach genial! Den Weihnachtsmorgen verbrachte ich bei meiner Freundin Alex, wo wir ein herrliches Frühstück aßen (die besten Zimtschnecken, die ich je gegessen hatte). Wir spielten mit ihren Gastkindern und öffneten Geschenke rund um den Weihnachtsbaum.

Mittags gingen Alex und ich zu Starbucks, wo wir uns mit unseren Freunden aus Argentinien, Kolumbien und Deutschland trafen. Wir tauschten Geschenke aus und erzählten von unseren liebsten Weihnachtserlebnissen. Für einige von uns war es bereits das zweite Weihnachten im Ausland. Wir tauschten auch kleine Zettel mit Sprüchen aus. Das war ein wunderbares Geschenk, das mir noch immer viel bedeutet. Immer wenn ich einen miesen Tag habe, erinnere ich mich an diese Zeit und lese mir die Notizzettel durch. Weihnachten als Au Pair Au Pair Freunde zu haben ist großartig, amerikanische Freunde zu haben, ein Segen. Meine amerikanischen Freunde hatten die Idee, ein Potluck-Dinner zu veranstalten, also jeder bringt etwas mit und danach hat man ein riesiges Buffet mit verschiedensten Speisen – da ich es liebe zu kochen, war ich sofort begeistert von dieser Idee. Ich lud auch andere Au Pairs ein (ihre Familien waren auch jüdisch). Dieser Abend war uns allen unglaublich wichtig.

Mit Weihnachtsliedern im Hintergrund tranken wir jede Menge heiße Schokolade. Dieses Abendessen mit diesen unglaublichen Menschen machte diese Zeit ganz besonders und unvergesslich für mich. Am nächsten Abend fuhren wir gemeinsam zum Botanischen Garten in Denver zum Light Festival. Es schneite und es war ziemlich kalt, aber wir liebten die Atmosphäre und die Tatsache, dass wir alle gemeinsam dort waren. Das war eine willkommene Ablenkung für mich und ich dachte nicht so sehr darüber nach, wie sehr ich meine Familie vermisste und wie sehr ich bei ihnen sein wollte. All die Menschen um mich herum sorgten dafür, dass ich zufrieden und glücklich war. Dafür kann ich ihnen nie genug danken.

Es spielt gar keine Rolle, wie weit Du von zu Hause weg bist und wo Du herkommst – viel wichtiger ist es, Menschen zu finden, bei denen Du Dich wohlfühlst. Menschen, denen Du etwas bedeutest, sind Deine Freunde und ich muss sagen, dass sie für mich mittlerweile wie Familie sind – jetzt, wo ich wieder zurück in Polen bin, vermisse ich sie jeden Tag. Ich hoffe, dass wir eines Tages wieder Weihnachten gemeinsam feiern können!